Joachim Radkau Vita
 
 
 

Geb. am 4. 10. 1943 im Pfarrhaus zu Oberlübbe (heute Hille) im Kreis Minden; Sohn und Enkel evangelisch-lutherischer Pfarrer. 1963-68 Studium an den Universitäten Münster, Berlin (FU) und - unter dem Eindruck der Fischer-Kontroverse - Hamburg. Seit 1969 verheiratet mit Orlinde, geb. Petersen ; mit ihr entstand eine Reflexion über die libidinöse Grundlage des Interesses an der Geschichte (Praxis der Geschichtswissenschaft - Die Desorientiertheit des historischen Interesses, 1972). 1970 Promotion in Hamburg bei Fritz Fischer mit einer Dissertation über die deutsche USA-Emigration nach 1933. Ab 1971 Wiss. Ass., ab 1974 Dozent an der Pädagogischen Hochschule Westfalen-Lippe; auch später regelmäßig praxisorientierte Veranstaltungen zur Lehrerbildung. In Verbindung damit entwickelte sich eine Leidenschaft für historische Exkursionen.

1972-74 Zusammenarbeit mit dem 1933 aus Deutschland emigrierten Historiker George W. F. Hallgarten (Washington), aus der das gemeinsam geschriebene Buch „Deutsche Industrie und Politik“ hervorging. Seit 1974 - zunächst noch fasziniert und unbeeinflußt von dem beginnenden Atomkonflikt - Forschungen zur Geschichte der Kerntechnik, aus denen die Habilitationsschrift „Aufstieg und Krise der deutschen Atomwirtschaft“ (1981, 1983 als Buch veröffentlicht) entstand. Seit 1980 Professor an der Fakultät für Geschichtswissenschaft und Philosophie der Universität Bielefeld.

In der Folge ein Sprung in die frühe Neuzeit: Forschungen zur Waldgeschichte des 18. und frühen 19. Jahrhunderts mit Schwerpunkt auf deren Zusammenhängen mit der Wirtschafts- und Kulturgeschichte und der Frage nach der Existenz einer krisenhaften Holzverknappung zu jener Zeit. Die Zweifel an der herkömmlichen Holznot-These führten zu einer anhaltenden Kontroverse. Es folgten breiter angelegte Arbeiten zur Technikgeschichte, insbesondere zur Frage spezifisch deutscher Wege in der Technik und der Zusammenhänge zwischen Technik und Umwelt. Die 1990er Jahre standen im Zeichen von Nerven und Natur: Aus Recherchen über die medizin- und mentalitätengeschichtliche Dimension der Technikgeschichte ging eine größere, auf Patientenakten gestützte Geschichte der Nervosität - vor allem der deutschen - hervor (1998). Im Jahr 2000 folgte eine Weltgeschichte der Umwelt. In letzter Zeit Beschäftigung mit der Geschichte des Naturschutzes in Verbindung mit dem Museum und Forum zur Naturschutzgeschichte auf der Drachenburg am Drachenfels.